Restaurierte "Frankfurter Küche" im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt - Foto: Museum Angewandte Kunst / Anja Jahn -
Frankfurt. Die „Frankfurter Küche“ von Margarete Schütte-Lihotzky gehört zu den herausragenden Beispielen des Frankfurter Moderneprojekts der 1920er Jahre. Als erster in großem Umfang hergestellter Typus einer reinen Arbeitsküche wurde sie weltweit zum Vorbild typisierter Gestaltung und veränderte das Wohnen nachhaltig.
Das Museum Angewandte Kunst, das den Blick immer wieder auf die Bedeutung Frankfurts und der Region für die Gestaltungsmoderne wirft, zeigt nun erstmals ein restauriertes Exemplar der „Frankfurter Küche“ in seiner Dauerausstellung Elementarteile. Statt einer Vollrekonstruktion präsentiert das Museum die Besonderheiten der „Frankfurter Küche“ durch eine spezielle Raumsituation, originale Küchenmodule, weiterführende Architekturelemente und visuelle Kontextualisierungen. 2015 erhielt das Museum Angewandte Kunst die Möglichkeit, eine komplette, weitgehend unveränderte „Frankfurter Küche“ in der Wittelsbacher Allee auszubauen. Die ABG Frankfurt Holding, Eigentümerin der Küche, stellte sie dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung. Den komplizierten Komplettausbau vor Ort, ebenso wie die darauf folgende, über zweijährige Restaurierungsarbeit übernahm Christian Dressen, Diplom-Restaurator am Museum Angewandte Kunst. Er verzichtete auf großflächige Retuschen und stellte stattdessen die letzte Originallackierung durch Freilegung und Säuberung wieder her. Auch Spuren des Gebrauchs blieben bewusst sichtbar.
In der Ausstellung sind die Küchenelemente dem Originalgrundriss entsprechend zu einem Raum angeordnet. Die Stirnwand der Küche, in der sich in der ursprünglichen Raumsituation ein Fenster zum Garten befindet, bleibt offen und gibt Blicke in den Museumsraum frei, von der Außenseite zeigen sich an dieser Stelle Einblicke in die Konstruktion der Küche. Als Besonderheit sind auch die originalen Boden- und Wandfliesen Teil des Aufbaus. Somit entsteht ein authentischer Gesamteindruck der Gestaltungsleistung Margarete Schütte-Lihotzkys. Kuratorisch wurde das Projekt von Prof. Dr. Klaus Klemp betreut, eine umfangreiche wissenschaftliche Mitarbeit und Beratung erfolgte durch Dr. Christos-N. Vittoratos. Die Restaurierung wurde durch eine großzügige finanzielle Förderung des Hessischen Museumsverbandes ermöglicht.
Die „Frankfurter Küche“
Die „Frankfurter Küche“ ist ein wichtiges konzeptionelles Element der Gesamtentwurfsplanung des Projekts des „Neuen Frankfurt“. Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000), erste Österreicherin mit abgeschlossenem Architekturstudium, wird im Januar 1926 in die Abteilung Typisierung des Frankfurter Hochbauamts berufen und zur Spezialistin für die Küchen der Neubauten. Von der effizienzorientierten „Frankfurter Küche“ werden mehr als 10.000 Exemplare für fast alle Siedlungsbauten gefertigt. Es gibt rund 30 Varianten, alle nicht größer als sechs bis sieben Quadratmeter. Sie sind eine elementare Voraussetzung für das Raumprogramm der neuen preiswerten Frankfu rter Reformwohnungen, in denen das bürgerliche Wohnzimmer die zentrale Rolle spiel en soll, nicht die proletarische Wohnküche. Durch ihre geringe Größe soll die Küche als Aufenthaltsraum abgelöst und durch andere Räume innerhalb und außerhalb der Wohnung ersetzt werden.
Grundprinzip der Küche waren kurze Wege und Griffbereiche. Die Breite der Küche war so berechnet, dass man sich von der Schrank- und Spülwand zur Herdwand nur umzudrehen brauchte. Umfangreiche Ordnungssysteme sollten die Küchenarbeit zusätzlich effizienter gestalten. Margarete Schütte-Lihotzky schwebte dabei eine Art Küchenlabor vor, was in den zahlreichen Schütten, verglasten Schränken und einem sitzenden Arbeitsplatz zum Ausdruck gebracht wurde.
Die von einigen Vertretern der Gestaltungsmoderne vorgetragene These, dass das, was funktional sei, auch gleichzeitig schön sei, wies Schütte-Lihotzky nachdrücklich zurück. Sie sah die Küche dezidiert als ästhetische Gestaltungsarbeit an. Wie im gesamten Projekt des „Neuen Frankfurt“ spielte auch bei der Küche die Farbigkeit eine große Rolle. Die ersten Musterküchen waren in Blau gehalten, später kamen weitere gedämpfte Farben, aber auch Weiß hinzu. Der Küchenboden bestand zumeist aus bräunlichen Solnhofener Platten, die in ihrem Naturmuster einen Kontrast zu den monochrom lackierten Schränken darstellten. Als Beschläge dienten die Normbeschläge des Hochbauamtes und für die Schubladen prismatische Holzklötze mit einer unteren Griffmulde, so dass der geometrische, kubische Eindruck der Küche noch verstärkt wird. Im Rahmen der Museumsrecherchen fanden sich Planzeichnungen, die Elemente der Frankfurter Küche für den Ladenbau in den Siedlungen vorgesehen hatten. Die Küchenmodule waren somit auch als Ausstattungen öffentlicher Bereiche gedacht.
Ein wesentlicher Aspekt der „Frankfurter Küche“ ist ihre Rezeptionsgeschichte. Neben der Vorbildfunktion für spätere Einbauküchen ist vor allem die zeitgenössische Rezeption von Bedeutung, denn der Paradigmenwechsel im Wohnbereich fand zunächst keineswegs ungeteilte Akzeptanz. Für diese warb Schütte-Lihotzky in zahlreichen Vorträgen und Publikationen. Auch dank der intensiven Ausstellungs- und Werbetätigkeit des Siedlungsdezernats unter Ernst May wurde die „Frankfurter Küche“ international bekannt.
Seit 23. November 2017 im Museum Angewandte Kunst
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr
Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 6 Euro
Info:
Die "Haarer-Schüte" aus Hanauer Produktion ist Bestandteil der "Frankfurter Küche". Sie wurde aber auch bei anderen Küchen verwendet. Diese Schütte wurde nicht von Margarete Schütte-Lihotzky entworfen. Sie war ein Entwurf der Firma Haarer und wurde auch von dieser patentiert. Hergestellt wurde die Schütte bei der Firma Emil Möhn in der Hanauer Ruhrstraße. Im Internet wird sie irrtümlich oft als Lihotzky-Entwurf bezeichnet oder gemeinsam mit Küchenmöbeln, die wenig mit der "Frankfurter Küche" gemein haben, angeboten. (red)